und dann 2050? #10

Einige Male im Jahr tagt das „Kuratorium für triviale Mythen“ [link] an wechselnden Orten und in wechselnder Besetzung. Diesmal, dem Thema sehr naheliegend, in einer Autobahn-Raststätte. Mich beschäftigt in der Sache zur Zeit vorrangig zweierlei. Die Zeit zwischen 1955 und 1960 sowie das Thema Masseproduktion für eine Massengesellschaft.

Techniker Michel Toson (links) und Fotograf Franz Sattler in der Startposition zu unserer Konferenz

Die zweite Hälfte der 1950er-Jahre war eine Ära beispielloser Massenmotorisierung. Das stellt sich in Debatten und Produktionen dar, die vom Motorrad zum Motorroller führen (Komfortgewinn) und damit das Thema „Rollermobil“ aufwerfen (kein Roller mehr, aber noch kein „richtiges“ Auto), um schließlich über den Fiat 600 zum 500 Nuova und so auch zum Grazer „Puch-Auto“ zu führen, die als Kleinwagen, aber „richtige“ Autos galten.

Bedingungen der Massenproduktion sind Grundlagen einer Preisgestaltung, durch welche die gemeinten Waren für breitere Kreise erschwinglich werden. Es mag banal wirken, wenn wir erörtern, ob eine Schraube mehr oder weniger an einem Auto etwas im Preis bewirkt. Aber das sind tatsächlich relevante Kategorien. Norbert Gall [link], Brand Manager von „Abarth Österreich“ [link], konzedierte, daß hier 3 Cent, dort 5 Cent und da 10 Cent eingespart in der Masse etwas bewegen würde.

Abarth-Brand Manager Norbert Gall, in den lauf der Dinge verstrickt

Michael Toson [link], Techniker bei „Magna Steyr“ [link], erzählte aus seinem Arbeitsbereich, daß in einer abschließenden Durchsicht an einem neuen Fahrzeug sehr wohl erwogen werde, ob man etwa ein Kabel doch noch so verlegen könne, daß sich ein Zentimeter Kabellänge einsparen ließe.

Wir haben mindestens seit a) dem Waffendrill der preußischen Armee und b) seit den Methoden der Effizienzsteigerung durch Henry Ford eine Reihe von menschlichen Zurichtungsverfahren erlebt, die unsere Lebensbedingungen sehr grundlegend veränderten.

Effizienzsteigerung, Beschleunigung, Massenfertigung. Ich hausiere schon eine Weile mit einem Zitat von Philosoph Peter Sloterdijk, der in „Weltverschwörung der Spießer“ meinte: „Wir erleben Vorgänge, die in ihrem ganzen Ausmaß erst durch unsere Nachkommen gewürdigt werden können. Summarisch gesprochen: Wir sind in ein Zeitalter der unmenschlichen Geschwindigkeiten eingetreten – und dieser Übergang läuft mitten durch unsere Lebensgeschichten.“ [Quelle]

Kein Konsumgut repräsentiert das in jeder Hinsicht so sehr, wie das Automobil. Seine Produktion wie seine Nutzung sind Ausdruck dessen, was Sloterdijk kritisiert. Das Geniale an diesem Fetisch, er löst auch noch Begehren in genau diesen Eigenheiten aus, statt uns darin zu beunruhigen, abzuschrecken.

Wir haben es da also mit einem sehr komplexen und problematischen Kulturgut zu tun. Damit werden wir demnach noch eine Menge Arbeit haben. Speziell hier in der „Energie-Region“, wo der steirische Automobil-Cluster [link] gleich ums Ecker präsent ist. Da haben wir einige Gelegenheit, zu überprüfen, welche Fragen das konkret für den Lebensalltag vor Ort aufwirft.

[2050: übersicht]

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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