Quintett auf Reisen

Es war vor Jahren, als wir während eines „April-Festivals“ in der Region gerade eine Vernissage in Gleisdorf absolviert hatten. Danach fanden sich etliche von uns noch in einem Lokal ein, um den Abend dort ausklingen zu lassen. Unter den anderen Gästen waren auch einige Geschäftsleute des Ortes um einen Tisch versammelt. Das brachte eine Puppenspielerin in der Runde dazu, diesen Leuten quer durch den Raum zuzubrüllen: „Die Künstla hätt’n an Durscht!“

Tage später sprach mich einer der Unternehmer auf diese Situation an und fragte mich, ob wir eigentlich ganz bei Trost seien. Es ist auch für mich einigermaßen irritierend, daß doch recht viele meiner Leute die Rolle von Gauklern, Bittstellern und Bettlern selbst wählen, was sie zugleich lautstark beklagen.

Zwischen KMU und Global Player: MIchaela Knittelfelder-Lang und Christian Strassegger auf Besuch bei "Wollsdorf Leder"

Anders ausgedrückt, es herrscht in meinem Milieu nicht gar so viel Klarheit, was man unter „Begegnung in Augenhöhe“ verstehen könnte und wie es folglich dazu kommen solle.

Warum sollte mir jemand bei eine Deal entgegenkommen, wenn ich deutlich ausdrücke, daß ich eigentlich nur mit mir beschäftigt bin und den anderen gering schätze, womöglich verachte? Außerdem sind derartige Egozentrik-Nummern im Kunstbetrieb nicht mehr ganz State of the Art. Das Genie, welches allein durch seine Gegenwart höchste Aufmerksamkeit und Zuwendung verdient, ist etwas aus der Mode gekommen.

Für den Rest an Relevanz stehen wir Kunst- und Kulturschaffende in einer langen Reihe an; mit Leuten aus dem Bildungswesen, Gesundheitswesen, Sozialbereich etc. Überall ist die grundsätzliche Wichtigkeit des Metiers für den hohen Lebensstandard Österreichs prinzipiell außer Streit gestellt. Aber betreffs der angemessenen Budgetierungen kursieren krasse Auffassungsunterschiede.

Kulturschaffende schleppen ein bescheidenes Problem mit sich: Wir haben in den letzten 20, 25 Jahren kaum etwas getan, um einen breiteren gesellschaftlichen Konsens zu erwirken, daß das, was wir tun, wichtig sei. Ich sah gerade in diesem krisenhaften Jahr 2011 allerhand Beleidigtheit darüber, daß es diesen Konsens nicht gibt. Aber ich sah kaum adäquate Antworten auf diesen Status quo.

Das dominante Reaktionsmuster war eigentlich, anderen zuzubrüllen: „Die Künstla hätt’n an Durscht!“ Und obwohl etwa das steirische Landeskulturförderungsgesetz von 2005 ein durchaus klar verständliches Regelwerk ist, obwohl die Vergabepraxis seit Jahren keinen Zweifel läßt: Kofinanzierung ja, Vollfinanzierung nein!, kommen wir nicht in die Gänge, um den Weg von der Förderung zur Kooperation wenigstens einmal konzeptionell zu schaffen.

Kooperation, das würde voraussetzen, mein Gegenüber weder tendenziell noch generell abzulehnen. Das würde auch voraussetzen, jeweils jenem „System“, mit dem man kooperieren möchte, grundsätzlich zuzustimmen. Momentan haben wir die ans Neurotische grenzende Situation, daß wir jene, die uns Ressourcen verfügbar machen, lieber ablehnen und notfalls attackieren, als sie an unsere Tische zu bitten.

Strikt KMU: Der Apotheker Richard Mayr (links) und der Ingenieur Andreas Turk

Das hat natürlich auch seine Entsprechungen hinter Gardinen, Vorhängen, verschlossenen Türen. Dort geht es dann weit weniger radikal und kämpferisch zu. Das führt zu wenisgstens zwei völlig verschiedenen Kommunikationsstilen und –inhalten einzelner Personen. Zum eigenen Milieu hin widerborstig, in widerständischer Attitüde, aber „to make a living“ bleiben dann ja nur der Markt, der Staat und das „Hotel Mama“. Also zum anderen Milieu hin verbindlich und vielleicht etwas verbogen.

Muß man die Gabe der Prophetie haben, um das für aussichtslos bis irreführend zu halten?

Klischees, Ressentiments, Feindbilder; kennen wir, haben wir. Es ist ganz bemerkenswert, was sich dagegen finden und erfahren läßt, wenn man loszieht, um Gespräche zu führen, die vorerst einmal überhaupt zu brauchbaren Annahmen führen sollen, wer es da mit wem auf welche Art zu tun bekommt. Wir haben dazu ein „Quintett auf Reisen“ formiert, welches sich dieser Mögllichkeit widmet.

Wir ersuchen darum, für einige Zeit Gäste sein und Fragen stellen zu dürfen. Es ist mehr als erstaunlich, was das auf beiden Seiten zu bewirken scheint.

P.S.:
+) Dieses „Quintett auf Reisen“ ist eine komplementäre Ebene zu „Kunst Wirtschaft Wissenschaft“: [link]
+) Es hat seinen Themenschwerpunkt momentan bei den „Tagen der agrarischen Welt“: [link]
+) Das ergibt auch Inputs für den Berech „Vision 2050“: [link]

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
Dieser Beitrag wurde unter Feuilleton abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar