Ich bleib noch ein Weilchen bei den Fragen nach dem Verhältnis zwischen Kulturbetrieb und Privatwirtschaft. Was ich von BEIDEN Seiten am häufigsten höre, ist die Variante: Kulturschaffende haben ein Projekt und fragen bei Wirtschaftstreibenden um Geld. Gibt es kein Geld, ist die Verständigung schlagartig zu Ende. Solche ersterbende Kommunikation hat das Zeug zum Selbstläufer. Ein fataler Effekt.
Gibt es eigentlich „Die Geschäftsleute“ und „Die Geschäftswelt“, wovon wir Kulturschaffenden dann diese oder jene Meinung haben? Ich glaub das nicht. Solange wir aber auf dem Kulturfeld keine differenzierten Ansichten aufgrund von profunden Einsichten zulassen, bleibt das alles diffus und damit klischeeanfällig.
Eben saß ich mit einem recht kuriosen Unternehmer an einem Tisch. Werner Weiß ist einer von zwei Geschäftsführern des europaweit zweitgrößten Institutes, das sich mit Forschung und Entwicklungen im Bereich erneuerbarer Energie befaßt.
Weiß hat quasi berufsbedingt sehr interessante Ansichten darüber, wie Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zusammenwirken und was dabei zu beachten sei. Weiß betont die Wichtigkeit von Politikberatung, damit man politische Rahmenbedingungen mitgestalten kann. Und zwar vor dem Hintergrund, daß die Politik nach seiner Meinung eigentlich so gut wie alle Instrumente zur Gestaltung von Energiepolitik längst aus der Hand gegeben habe. „Energiepolitik macht nicht der Energieminister, sondern die großen Konzerne.“
Weiß konstatiert: „Die Politik ist dazu verkommen, den Staat wie eine Firma zu managen.“ Und er meint: „Politik muß die Märkte kontrollieren, nicht umgekehrt.“ Das sind bemerkenswerte Ansichten eines Mannes, der für sich selbst geklärt hat: „Ich muß doch nicht als Geschäftsführer das siebenfache Gehalt unserer Angestellten haben, nur weil das so üblich ist.“ Diesen Geist drückt auch der Betrieb als Konstruktion aus. „Die Firma gehört niemandem.“
Damit meint Weiß, er und sein Kollege Ewald Selvicka haben ausgeschlagen, daß der Betrieb in persönlichen Privatbesitz übergehe. Die Firma wird von einem Verein getragen, also einer „Rechtspersönlichkeit“ [link], die ihrerseits für manche der anfallenden Projekte eine GmbH als „Hilfsbetrieb“ besitzt. „Warum muß das jemandem gehören?“ fragt Weiß rhetorisch, „Es läuft so schon 20 Jahre gut.“
Ich kenne Weiß und Selvicka aus den Anfängen dieser Geschichte. Was einst als eine Selbstbaugruppe begann, die dieser Region Europas höchste Dichte an Solarflächen verpaßt hat, ist heute eine Firma, die kaum noch direkt in die Region herein wirkt, sondern hauptsächlich quer durch Europa aktiv ist, außerdem in Afrika und im arabischen Raum.
Übrigens! Die Partie ist momentan federführend beim Bau der größten solarthermischen Anlage der Welt im saudi-arabischen Riad. Da geht es um 36.000 m² Kollektorenfläche. Worauf ich nun hinauswill, ist die Betonung des Umstandes, daß Wirtschaftstreibende, Unternehmerinnen und Unternehmer, sehr verschiedene Gesichter und Rollen haben.
Manche von ihnen, wie die aee-intec-Leute, würde ich als Kulturschaffender jetzt nicht um Geld anhauen. Ich sehe sie als Verbündete im Ringen um einen würdigen Status quo dieser Gesellschaft. Und ich gewinne als Kulturschaffender, wenn ich sie immer wieder treffen kann, um mit ihnen offene Fragen zu debattieren. Die Beiträge zu einem fruchtbaren kulturellen Klima sind eben nicht bloß materieller Natur.