Um es vorweg zu betonen: Die ersten Absätze dieses Beitrages mögen etwas deprimierend klingen. Ich muß das so ausführten, damit der Status quo klar wird. Im Anschluß wird es aber sehr optimistisch; wenn ich meine Schlüsse ziehe…
Ich komme mit Absagen besser zurecht, wenn sie offen formuliert sind, statt bloß unter einem Lächeln exekutiert zu werden. Zum Beispiel: „Festhalten möchte ich jedoch, daß wir keine externen Marketingaktivitäten durchführen und dafür auch kein Budget haben. Eine finanzielle Unterstützung der Künstler ist uns daher leider nicht möglich.“ Das ist ja keine Seltenheit.
Mehr noch, inzwischen agieren ja auch Kommunen so. Kennt noch jemand kleinere oder mittlere Gemeinden, deren Funktionstragende Kunst und Kultur für ebenso wichtig halten wie das Bildungs- oder Gesundheitswesen? Werden dafür Budgets bereitgestellt? Diese Fälle sind rar geworden.
Offen gesagt, ich war zwischenzeitlich etwas erschrocken, wie umfassend hier in der „Provinz“ der Kulturbereich an wesentlichen Ecken fallen gelassen wurde, als die Krisenmomente zunahmen. Es erfolgte ein weitreichender Rückzug auf vertraute Positionen, was bedeutet: Events, Projektchen mit Tourismusbezug, aus! Es gibt auch keinen aktiven Dialog Funktionstragender mit bewährten Kulturschaffenden. Damit meine ich: Von den Gemeinden geht derzeit offenbar gar nichts aus.
Es scheint, als sei die Schildkröte zum Wappentier der Region erwählt worden. Da ist sicher noch Leben unter dem Panzer, aber es läßt sich nicht sagen, ob sich nun etwas bewegen wird oder nicht.
Gut, da wäre nun gerade ein als Offensive angelegter Prozeß, bei dem unter der Headline „Visionen 2050“ Debatten und Feedbacks angeregt werden sollen, die im Sinne einer wachsenden „Bürgerbeteiligung“ funktionieren mögen. Also ein diskursiver, eine soziokultureller Prozeß.
Der Auftakt ist bemerkenswert, weil das Projektteam von diversen Universitäten und der TU Graz einen sehr interessanten Ausgangspunkt erarbeitet hat. Hat es sich deshalb ereignet, daß sich der Vorstand unserer LEADER-Region, immerhin alles Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, an ihre Leute aus Bildungswesen und Kultur gewandt haben, um ihnen zur Sache einen Vorschlag zu machen oder sie zur Zusammenarbeit einzuladen?
Nein, das hat sich nicht ereignet. Diese Idee ist offenbar kaum naheliegend. Gut. Da besteht eben Klärungsbedarf, der in den vergangen Jahren nicht statgefunden hat. Es ist fast, als begännen wir anläßlich dieses Projektes bei Null. Fast. Denn immerhin haben wir Kunst- und Kulturschaffenden die letzten Jahre genutzt, um verschiedene Modi zu erproben und praktische Erfahrungen zu sammeln.
Das bedeutet AUCH:
Es kann gar nicht genügen, in diesem Kulturbereich aufzutreten und den Anspruch „Ich bin Künstler“ als einzig relevantes Thema einzuführen. Ebenso könnte man vorbringen, Lehrerin zu sein, Krankenschwester, Polizist, was auch immer. Das ist ja für sich kein relevantes Statement, sondern bloß ein Hinweis darauf, worüber nun geredet, eventuell verhandelt werden könnte.
Zurück zur Passage „…daß wir keine externen Marketingaktivitäten durchführen und dafür auch kein Budget haben. Eine finanzielle Unterstützung der Künstler ist uns daher leider nicht möglich.“
Es wäre naiv bis skurril, wollten regionale Kunstschaffende, die keinen internationalen Marktwert für sich geltend machen können, bei einer Firma ankommen und sagen: „Geben Sie uns einiges Geld für unsere künstlerischen Vorhaben, wir bieten Ihnen dafür einen Imagegewinn.“
Das wäre freilich ein Kernereignis von Sponsoring, wie wir es bisher kennen. Kulturschaffende bieten Unternehmen wenigstens zweierlei Möglichkeiten: a) Sich im Gemeinwesen soziokulturell zu engagieren und b) dabei auch einen Imagegewinn für den Betrieb zu verbuchen.
Das kann keine Basis für unsere regionalen Vorhaben sein, weil sich so ein Zugang praktisch nicht einlösen läßt. Ich habe im vorigen Beitrag schon notiert, welchen Ausgangspunkt ich für „kunst ost“ herausgearbeitet habe, um klären zu können, was an Kooperationen denkbar wäre. Und DAS ist der wesentliche Punkt: Kooperation.
a) Gibt es aktuelle Fragestellungen, die uns gleichermaßen interessieren?
Falls ja, bleibt zu erörtern:
b) Gibt es Aufgabenstellungen, die sich aus diesen Fragen ableiten und die wir teilen könnten?
Das verlangt auch Klärung:
c) Welcher Art sind unsere Kompetenzen, die sich in einem gemeinsamen Vorhaben komplementär ergänzen und verstärken könnten?
Das bringt mich wiederum zum Themenkomplex „Visionen 2050“. Es wird viele Wege geben, zu dieser großen Themenstellung etwas Relevantes beizutragen. Ich denke, der hier angerissene Modus ist einer davon, welcher vor allem brauchbare Erfahrungen schaffen kann, wie denn nun höchst verschiedene Instanzen eines Gemeinwesens, einer regionalen Gesellschaft erst einmal mit einander in Dialog kommen können, um schließlich auch da und dort zusammenzuarbeiten.
Ich habe nicht den geringsten Zweifel, daß solcher Zugang uns den Weg zu neuen Verfahrendweisen und Strukturen im Kulturbereich weist.
[2050: übersicht]