Bin ich hinterm Mond und habs nicht bemerkt?
Die gute Nachricht: Von einem „Kulturkampf“ kann in Graz keine Rede sein. Kein Schlachtfeld in Sicht. Läßt sich solcher „Superismus“ einmal aus den Betrachtungen herausnehmen, muß nicht jedes Geschehen gleich das superste, wildeste, gefährlichste sein, bleibt ja vielleicht genug Transparenz im Blickfeld, um die Dinge etwas klarer sehen zu können. Etwa den Status quo der Debatten rund um das Grazer Künstlerhaus.
Die goschertste Seele auf dem Set ist momentan sicher der Peter Weibel. Doch aus dem läßt sich für die Sache sicher keine Galionsfigur schnitzen. (Was schert den die Grazer Szene?) Wer sich auf seine Seite reklamiert, tut das vermutlich ohnehin nur, um den Peter Pakesch zu triezen. Der muß zwar für alles mögliche als Feindbild herhalten, doch das wird langsam etwas fad.
Wie schaut’s aus? Ich hatte kürzlich an einem Artikel im Standard [link] bestaunt, daß da a) jemand auf irgendwelche Barrikaden steige und b) festgestellt wurde: „Man trifft sich seit vielen Monaten und erarbeitete ein rund 30 Seiten starkes Papier.“ Siehe auch: [link] Mir schien beides nicht sehr plausibel.
Eine kleine Recherche zeigt nun, daß vor allem der scheinbare Zusammenhang zwischen a) dem Papier „Zur Lage der bildenden Kunst in Graz“ und b) den genannten 30 Seiten irreführend ist. Diese Werke haben keine besondere Verbindung. Eher im Gegenteil.
Das „Einser-Papier“ stammt vom dort genannten Personenkreis und steht darin für sich. Das sei in der Konstellation äußerst sensibel höre ich. Eine der Unterzeichnerinnen, Eva Ursprung, teilte mir mit: „ab jänner sind an den verschiedenen locations der beteiligten (rotor, medienturm…) veranstaltungen geplant, in denen auf die einzelnen bearbeiteten themen näher eingegangen wird.“ Meiner Meinung nach ein Gewinn für den Lauf der Dinge, weil solche Erörterungen und Konkretisierungen mehr als nötig, ja überfällig sind.
Eine andere Sache ist die aktuelle Mailingliste der IG Kultur Steiermark unter der Federführung von Caroline Oswald Fleck und Eva Ursprung. Dafür sollte außerdem schon längst eine eigene Website als Plattform für Telekommunikation und Teleworking etabliert sein: [link]
Die wird zwar promotet, ist aber noch tot. Ich vermute, die Netzkulturszene hat vergessen, wie flott man etwa bei mur.at zum Bispiel ein Wiki in Gang bringen kann, um Diskurs und Diskussionsfluß via Web zu bewegen. Österreichische Gemütlichkeit ist irgendwie… radikal.
Übrigens! Dieser Community sei auch, so höre ich, das oben genannte 30 Seiten-Papier zuzurechnen. Womit haben wir es da zu tun? Wissen wir nicht, denn es gibt nicht einmal irgendwelche Diskursschnipsel oder inhaltliche Diskussionbeiträge der Leute auf irgendeiner Website der Netzkulturszene.
Da wäre ja zum Beispiel „KIG! Kunst in Graz“: Eine „Plattform für interdisziplinäre Vernetzungsarbeit, mit Veranstaltungskalender und Diskussionsforum.“ Präsidentin: Anita Hofer. Die gehört auch dem Vorstand der IG Kultur Steiermark an. Sollte ich da nicht fündig werden können? Kann ich aber nicht. Gut, ich finde dort von mir einen Artikel, aber den kenn ich schon.
Immerhin, nach einigem Nachfragen erfuhr ich nun: „die 30 seiten sind texte zu den verschiedenen angesprochenen themen, erstellt durch kleine arbeitsgruppen. sie wurden (noch) nicht redaktionell bearbeitet, es ist aber geplant, das zu tun und in folge auf einige webseiten zu stellen.“
Das klingt für mich freilich ein wenig anders als das via Presse kolportierte „Man trifft sich seit vielen Monaten und erarbeitete ein rund 30 Seiten starkes Papier.“
Zur Erinnerung, Kulturlandesrat Christian Buchmann ließ wissen: „Diese Konzepte wurden von mir am 2. November an den Landeskulturbeirat weitergeleitet, den ich um eine Expertise zu den Konzepten bis Ende des Jahres ersucht habe.“ [Quelle]
Damit meinte Buchmann die Künstlervereinigungen (Dr. Beate Landen), Luise Kloos, Erika Lojen, Edith Temmel, die IG Kultur, das Grazer Stadtmuseum, das Künstler-Paar Nestler-Rebeau und das Universalmuseum. Falls also ein Konzept der IG Kultur Steiermark „bis Ende des Jahres“ geprüft werden sollte, möchte man empfehlen: Bitte schneller schlafen, damit die Wachzeit noch entsprechend genutzt werden kann.
Ach, was rede ich darum herum? Ich bin eigentlich völlig konsterniert, daß eine Medienberichterstattung von Aktivitäten berichtet, als seien sie in vollem Gange, während sich so manches, wenn man nachfragt, als erst geplant, als beabsichtigt herausstellt.
Soll ich mir wünschen, daß ein teures Haus einer Community womöglich zur Selbstverwaltung überlassen wird, die in dieser jetzt doch sehr entscheidenden Phase zwar ihr Begehren äußerst, aber nicht einmal mit deren Begründungen nachkommt? Und was darf ich von einer online-Community erwarten, der heute noch nicht einmal jene angehören, die bei der letzten Pressekonferenz vor dem Künstlerhaus ihre Gesichter in einige Kameras gehalten haben?
Pardon, das ginge auf meinem Kontinent nicht. Oder bin ich auf einem anderen Planeten und wußte es gar nicht? Womöglich hinter dem Mond? Ich glaub, ich muß amal vor die Tür hinaus gehen und überprüfen, wo ich eigentlich bin. Und ich füge noch an: Vielleicht wäre bald nach der Legitimität und dem Mandat einer Gruppe zu fragen, die auftritt, als verträte sie „die Künstlerinnen und Künstler der Steiermark“, ohne zu diesem Zeitpunkt in genau dieser Sache auch nur ein kohärentes Ideenpapier vorlegen zu können.
[Die Debatte: Übersicht]
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