Heute ist, so lese ich, „Weltmännertag“. Zu diesem Thema habe ich nichts beizutragen. Aber da ereignet sich gerade eine bemerkenswerte Geschichte, von der ich erzählen will.
Der Gleisdorfer Dieter Staudinger hat in Armin Wirth einen Weggefährten für eine Route gefunden, welche sich die meisten von uns gar nicht vorstellen möchten. Die beiden Männer starten in den nächsten Tagen von der Station SANAE, um auf einer komplett unerforschten Route zum Südpol zu gehen. GEHEN! Das macht rund 2.200 Kilometer; falls sich die Männer nicht verlaufen. Von da aus geht es dann über eine schon erforschte Route zum Hercules Inlet am Ronne-Eisschelf; macht weitere 1.300 Kilometer. November, Dezember, Jänner.
Die Männer werden auf Skiern unterwegs sein und ihre Habseligkeiten auf Schlitten (Pulkas) mit sich führen. Da sind rund 150 Kilo pro Person zu bewegen. Bei gutem Wind wollen sie Kites auspacken. Ich vermute: Nur bei guter Sicht. (Man möchte gewiß weder zu Wasser, noch zu Land, noch in der Luft gegen einen Eisberg knallen.)
Ich bin so frei, mir nicht genauer auszumalen, was einem so ein Gang abverlangt.
Als Autor, der die Heizkosten seiner Bleibe heuer auch noch schafft – es gibt ja reichlich, worüber zu schreiben ist –, ziehe ich die warme Stube vor. Wenn mir nach Abenteuer ist, dann renne ich schon auch gelegentlich ins Ungewisse, aber in wesentlich bescheideneren Dimensionen.
Der Gang zu Staudingers Gleisdorfer Heim wäre von mir aus ein netter Spaziergang, die Region ist eher lieblich, war, seit ich sie kenne, noch niemals rauh. Staudinger geht also in extremen Kontraste zu dem, was wir hier kennen.
Sieht man allerdings genau hin, was bei ihm zur Debatte steht, um dieses Polar-Tour zu bewältigen, zeigen sich mögliche Anregungen. Da heißt es etwa: „Einen Schritt nach dem anderen gehen, einen Tag nach dem anderen nehmen.“ No na? Eh klar?
Natürlich kann ich von meiner Warte aus diese Staudinger-Wirth-Geschichte nur als „extrem“ bezeichnen. Aber das hat in unserer Kultur Geschichte. Die griechische Mythologie bietet uns zum Beispiel Ikarus und Dädalus an. Um von der Insel Kreta fliehen zu können, hatte Dädalus für sich und seinen Sohn Ikarus Flügel angefertigt, die sich bewährten.
Beide flogen in die Freiheit, doch Ikarus in den Tod, da er sich – gegen die ausdrücklichen Anweisungen seines Valters –, zu hoch in die Lüfte und der Sonne zu nahe wagte, worauf das Wachs, von den die Federn der Flügel verbunden wurden, schmolz.
Warum verehren wir eher den leichtsinnigen Ikarus, der seinen Höhenflug mit dem Leben bezahlte? Warum erscheint uns Dädalus dagegen fast blaß? Darüber lohnt es sich wohl, nachzudenken; so dämmert einem vielleicht, was das Staudinger-Wirth’sche „Einen Schritt nach dem anderen gehen, einen Tag nach dem anderen nehmen.“ bedeuten mag.
Nehmen wir an, es wollen beide ihre Leben nicht in einer großen Geste verausgaben, sondern vom Südpol auch zurückkehren. Nehmen wir an, solche Kräftespiele finden sich gleichermaßen im Alltag; in eine persönliche Zukunft führend oder gelegentlich tödlich.
Nun zeichnet sich ein wenig ab, warum mich diese Südpolwanderung eines Gleisdorfers und seines Weggefährten gerade so anspricht. Wir konnten kürzlich in Gleisdorf und Weiz den Auftakt zu einem erhofften Prozeß erleben. Ein Prozeß des Reflektierens und Debattierens. Dabei mögen wir uns der Frage stellen, wie diese Region 2050 befindlich sein könnte und ob wir auf dem Weg dort hin gestaltend auf jene Prozesse einwirken können, die diesen fernen Status quo herbeiführen.
Wagnisse. Keinerlei Massenphänomene. Eine Summe von Entscheidungen und Taten einzelner Personen. Manches davon banal, manches davon vielleicht bedeutend. Voller Risken und ohne jede Klarheit, was genau einen im nächsten Abschnitt erwartet, wie die Wege dorthin beschaffen sein werden.
Sehen Sie nun, wie interessant es sein kann, solchen Männern ein wenig über die Schultern zu sehen? Was auch immer die Motive von Staudinger und Wirth sein dürften, was auch immer ihre Erfahrungen sein werden, allein die Tatsache, daß sie in derlei Unbekanntes aufgebrochen sind, wissend, es wird überaus beschwerlich sein, enthält etwas von Ermutigung auch für sehr viel einfachere Wege.
P.S.:
In meinen Vorstellungen sehe ich die beiden Männer als GEHEND, auch wenn sie Skier verwenden, zuweilen den Kite als Segel. Kleine Schlittenfahrten werden dabei vielleicht einen Teil der Strecke ausmachen, aber Skier sind doch bloß reichlich große Schuhe und letztlich müssen die Männer ihren Leibern, vor allem ihren Beinen trauen können, also: gehen.