wir haben bei „kunst ost“ die aufgabe gewählt, im zentrum unserer arbeit der GEGENWARTSKUNST zu mehr augenmerk, wertschätzung und spielraum zu verhelfen. um das zu bewirken, sind wir allerdings gut beraten, den größeren zusammenhang dieses kulturellen themas zu beachten, zu betrachten und zu bearbeiten.
wir konzentrieren uns also über weite strecken auf SOZIOKUKTURELLE themenstellungen. der themenrahmen ist so definiert: „zwischen landwirtschaft und high tech“. dabei beziehen wir uns vor allem auf aspekte der sozialgeschichte und mentalitätsgeschichte, um von daher auf die gegenwärtige alltagspraxis verschiedener lebensbereiche einzugehen.
rund um das vorhaben „vision 2050“ ergeben sich nun anlässe, erneut zu klären, welche rollen KULTURSCHAFFENDE im gemeinwesen finden und einnehmen können. gemeinwesen, das ist im grunde auch ein überbegriff für die summe jener kräftespiele, in denen sich menschen zwischen eigennutz und gemeinwohl entscheiden. dieses thema habe ich gerade in einer begegnung gestreift.
gemeinderat wolfgang leitner ist techniker. in einer kleinen plauderei hat er jene zwei interessanten pole betont, die zu beachten vermutlich sehr wichtig ist. einerseits spricht er gegen die inzwischen immer häufiger beklagte überregulierung und meint berispielsweise: „wenn du dir ein haus baust, willst du ja auch nicht, daß dir jedes detail vorgeschrieben wird.“ auf der anderen seite, wenn wir über belange der ökonomie und ökologie sprechen, sagt er: „manches kannst du nur über den preis und über vorschriften regeln“, weil die meisten menschen in der orientierung auf eigennutz keine ausreichende motivation aufbrächten, diesen eigennutz zugunsten des gemeinwohls angemessen zurückzunehmen.
ich denke, genau hier stecken auch manche vorhaben der regionalpolitik fest. ich schließe daraus, daß gemeinwohl passend dargestellt werden muß, um in diesen punkten etwas voranzubringen. und das geht sicher nicht über flotte werbesprüche. für kunst- und kulturschaffende kann das bedeutet: begegnen und erzählen. („erzählen“ meint hier freilich ganz verschiedene künstlerische techniken und verfahrensweisen.)
das meint nicht, der kulturbetrieb sei als „werkzeugkiste“ für sozialarbeit und regionalpolitische reparaturarbeiten gedacht. der kulturbetrieb schafft einen ereignis- und erfahrungsraum für einige ganz grundlegende kompetenzen der menschen. das hat auch seine trivialen ausläufer.
ich sehe mich selbst als ein kind der pop-kultur. diese proleten-situation in grazer hochhäusern hatte zwar einzelne momente mit beethoven und mozart, aber ohne goethe, zweig und handke. das war also keine kindheit nach der art des bildungsbürgertums, sondern eine welt, in der „readers digest“ und popmusik dominiert haben, in der comic-hefte als „schundhefte“ ausgewiesen, aber sehr populär waren.
diese meine welt, in der harte schläge als normal galten, aber intellektualität verdacht erregte, ließ mich an trivialen stoffen großen geschmack finden. das ist ein stück hintergund jenes tätigkeitsbereiches, den wir heute in der region einem „kuratorium für triviale mythen“ übertragen haben: [link] von sammler emil gruber, der unser manifest des „avantourismus“ verfaßt hat, habe ich eine vorstellung von „wunderkammern“ bezogen, die sehr emotionales, genau nicht theoretisch fundiertes sammeln ausdrücken.
in grubers avantouristischen traktat heißt es an einer stelle: „2. Unsere vertragliche Pflicht ist nicht die ordnungsgemäße Vermittlung von Pauschalavantourismuserkenntnissen sondern individuelle avantouristische Erkenntnisleistungen.“ ein ironischer hinweis darauf, daß wir erfahrung und erkenntnis nur über eigeninitiative und die wahrnehmung eigener verantwortung für erreichbar halten.
inzwischen sind freilich noch ganz andere felder von jugendkulturen aufgegangen, die von anderen musiken und anderen codes bestimmt sind, anders als alles, mit dem ich aufgewachsen bin. kurios genug, daß wir darin berühungspunkte und überlappungen finden, denn wenn diese youngsters party machen, repräsentiere ich eigentlich dabei die generation, die von ihnen schon zu großeltern gemacht wurde. das ergibt interessante begegnungen und kuriose interferenzen: [link]
noch einmal zurück zu gemeinderat wolfgang leitner, der dem kulturausschuß von gleisdorf angehört. in unserer erörterung kam ein nebensatz vor, den ich für sehr wichtig halte: „wir können im kulturausschuß nur bearbeiten, was uns vorgelegt wird.“ der ausschuß ist also kein gremium, das von sich aus in kulturpolitischen fragen aktiv wird. er ist ein fachausschuß, der dem gemeinderat zuarbeitet.
daraus folgt, wir müssen vor allem einmal von uns aus klären, welche rollensituation und welches verhältnis wir als kunst- und kulturschaffende gegenüber a) dem gemeinderat und b) dem kulturausschuß einnehmen wollen. von da ab kann sicherlich wachsende verständigung greifen, kann sich auch ein zeitgemäßer entwurf der kooperation zwischen a) der kommune und b) bürgerinnen und bürgern entwickeln.
was das an kulturpolitischen optionen für nicht bloß einen ort, sondern eine region ergeben soll, will erst geklärt sein.
[2050: übersicht]