aufbruch aus der jammerkultur

ich hab vor einigen jahren die lektüre eines buches von matthias horx sehr anregend gefunden. „das zukunfts-manifest“ trägt einen bemerkenswerten untertitel: „aufbruch aus der jammerkultur“. diese jammerkultur ist also kein bloß österreichisches phänomen. aber sie hat bei uns in den letzten 10 bis 15 monaten ein großes revival erlebt.

ich finde ja sehr interessant, welche positionen möglich sind, wenn wir uns mit politik und verwaltung in einer klaren haltung der eigenverantwortung und eigeninitiative auseinandersetzen. das ist auf den feldern von kunst und kultur nicht die regel, doch ein lohnendes feld neuer erfahrungen.

dieser tage habe ich einen mann sagen hören: „meine anschauung war immer, mit braucht niemand was schenken, mir braucht nur jemand die möglichkeit zu geben.“ das hat mich natürlich neugierig gemacht. wie tickt jemand, der eine company dirigiert, zu der weltweit 26.000 leute gehören?

frank j. polzler: vom bäckergesellen zum konzern-chef

frank j. polzler, chairman von remax europe, hatte sich für ein plauderstündchen mit mir zeit genommen. die gelegenheit dazu ergab sich, als er seine heimat besuchte. der mann stammt aus der oststeiermark, ist in den frühen 1950ern nach kanada ausgewandert.

polzler hatte dabei zwar züge eines abenteuers an sich, ist aber eher der typ eines entrepreneurs. mit welchem „mindset“ schupft der mann so einen riesigen laden? den wesentlichen kontrast hatten wir schnell im blickfeld.

polzler: „die große herausforderung in europa ist, die leute zu überzeugen, daß sie ein kleines bißchen risiko übernehmen. die risiko-aversion ist hier enorm. ich weiß nicht, vielleicht durch das sozialsystem. wenn von diesen acht millionen menschen nur zehn prozent eine gute idee haben, da soll ich mich doch nicht nur auf die regierung verlassen, daß ich jetzt einen job hab. ich tu ja selber was für mich.“

was polzler positiv formuliert, ist bei uns mit reichlich negativer konnotation längst soziale realität; daß wir etwa im kulturbereich zunehmend gezwungen sind, uns ökonomisch auf eigene beine zu stellen und unternehmerisch zu denken. wer meinem milieu angehört, weiß sehr gut, wie abschätzig „unternehmerisches denken“ betrachtet und bewertet wird.

daß man sich damit zugleich in eine abhängigkeit begibt, die ihrerseits recht bald der anlaß für abwehrreaktionen ist, schafft grundlagen für eine reichlich neurotische situation. selbstermächtigung hat ganz sicher auch unternehmerische dimensionen. aber das hat uns niemand beigebracht. davon trennen uns mitunter schmerzhafte lernprozesse.

polzler: „eines der probleme in europa ist, daß man nur sicherheit, sicherheit, sicherheit will.“ er rundet ab: „die einzige sicherheit, die eine person hat, ist die gesundheit und was sie im kopf hat.“ ich bin bei leuten seines schlages natürlich immer sehr neugierig zu erfahren, wie sie dimension und komplexität ihres geschäftes bewältigen. der unternehmer bricht das auf eine zentrale kompetenz herunter: „ich fälle entscheidungen.“

was ist aber, wenn falsche entscheidungen getroffen werden? polzler: „dann mache ich eine andere entscheidung, um diese zu korrigieren. und dann fälle ich wieder eine entscheidung, um dieses und jenes zu machen. das ist es, was ich tue. und das alles in einer positiven art des denkens.“

klingt simpel. ist es das auch? ich habe keine anderen erfahrungen gemacht, würde diese ansicht demnach unterstreichen. eine von der dimension der vorhaben offenbar unabhängige option. polzler betont: „man darf keine angst haben, ein problem zu lösen.“

das kann ich sehr gut auf unser metier umlegen. haben wir präzise befunde der probleme kulturschaffender in österreich? gut. wie sehen dann die strategien aus und wie die handlungspläne? und wann geht’s los?

zum stichwort innovation sagt polzler: „wenn es auf diesem weg nicht klappt, dann probier einen anderen. 99 prozent der leute hören auf, wenn es auf eine bestimmte art nicht hinhaut. wenn man über den berg nicht drüber kann, bohrt man entweder unten durch oder geht außen herum.“

das kann man freilich nur in betracht ziehen, wenn man nicht darauf wartet, daß einem von anderen die steine aus dem weg geräumt werden…

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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