wovon handelt kulturpolitik? #8

(eine erklärung von weng)

die folgende reflexion entstand nach einer konferenz kulturschaffender und wirtschaftsleute in weng bei admont („forum k“) [link] und kurz vor einem weiteren arbeitstreffen kulturschaffender ebendort.

wir sind als kunst- und kulturschaffende keine objekete der kulturpolitik, sondern die primär handelnden, von denen kulturpolitik – im sinne der zivilgesellschaft – generiert wird. wir sind teil jener deutungseliten, durch deren zusammenwirken kulturpolitik im staatlichen sinne überhaupt erst entsteht.

diese ansicht ist keine einsame option. ich kenne natürlich kolleginnen und kollegen, die sich in der rolle bittstellender so vertraut sind, daß ihnen ihre gebeugte haltung gar nicht mehr auffällt. sie würden keineswegs voraussetzen, daß augenhöhe ein ausgangspunkt ist.

unsere profession ist von aktion und reflexion bestimmt. das bedeutet, wir haben laufend zu überprüfen, in welchem maß unser praktisches tun sich dem annähert, was unsere diskurse über kunst und kultur als wünschenswert und notwendig nahelegen. wir haben aber auch – umgekehrt – unsere zielsetzungen an den politischen ergebnissen zu überprüfen.

als kulturschaffender jenseits des landeszentrums kann ich mich nicht auf einen gesellschaftlichen konsens stützen, der dem kulturellen sektor auch nur annähernd jene relevanz und jenes gewicht zuschreibt, wie etwa dem bildungswesen, der medizinischen grundversorgung und anderen quellen soziokulturellen gedeihens.

für diese häuig auffallende und kuriose abschätzigkeit jenem kernbereich menschlicher gemeinschaft gegenüber, nämlich der kunst und der kultur gegenüber, mache ich hauptsächlich unseren erfahrungen als dienstboten und untertanen über mehr als hundert generationen verantwortlich. zu lange waren die zugänge zu diesen menschlichen erfahrungsbereichen den alten eliten vorbehalten, die nachkommen der domestiken, der knechte und mägde sind sich ihres anspruchs darauf mehr als unsicher.

dazu kommt: ich habe unaufgeregt festzustellen, daß eine ganze reihe von jungen strukturproblemen und eine neu wie massiv aufgeflammte landflucht viel beitragen, um das alte „zentrum-provinz-gefälle“ zu unerem nachteil zu restaurieren, obwohl es in diesem wohlhabenden land seit der industriellen revolution inzwischen überwunden sein sollte.

hier können wir nicht einmal innerhalb des eigenen metiers eine anregende debatte über fragen der verteilungsgerechtigkeit erreichen. also ist ein kulturelles engagegement auf der höhe der zeit in der sogenannten „provinz“ momentan mit zusätzlichen bürden belastet, die wir hier entweder verringern oder kompensieren müssen. wie das gehen soll, ist augenblich gegenstand internsiver erprobung einiger strategien.

ich habe festzustellen, daß dieses gefälle aktuell sogar vom allgemeinen lauf der dinge verstärkt wird und daß unser landeszentrum graz auf bedenkenlose art, und ohne diesbezüglich öffentliche diskurse zu erleben, kulturell zu lasten der „provinz“ floriert.

das ergibt sich nicht nur über das landeskulturbudget, von dem ein seit 2003 („kulturhauptstast europas“) fast konkursreifes graz über gebühr mittel bezieht, das ergibt sich zusätzlich über das massive gefälle im österreichweiten finanzausgleich, bei den steiermark schlußlicht des ganzen staates ist; nicht so graz.

da sich, wie schon angedeutet, nicht einmal kolleginnen und kollegen in graz geneigt zeigen, diese fragen auch nur zu diskutieren, dürften wir kunst- und kulturschaffende in der „provinz“ weiterhin völlig auf uns gestellt bleiben, da sogar der verantaltungstyp „regionale“ längst noch nich absehenh läßt, ob dieses „format“ a) bestand haben wird und wie es b) nachhaltigen nutzen für die kulturellen strukturen der regionen erbringen könnte.

all das ereignet sich einerseits vor dem eklatanten mangel an gesellschaftlichem grundkonsens, was die notwendigkeit aktiver kulturpolitik über ortsgrenzen hinaus angeht, andrerseits gelingt es vorerst kaum, in der regionalen kommnalpolitik einigermaßen sachkundige akteurinnen und akteure zu finden; sprich: ein großteil der orts-chefs und gemeideratsmitglieder hält diesen tätigkeitsbereich groteskerweise für unerheblich.

ich sehe uns kunst- und kulturschaffende also gefordert, jene kompetenzen zu bündeln, die a) treffsichere fachdiskurse ermöglichen und uns b) zu strategien bringen, die eine art der „best practice“ im regionalen kulturgeschehen ermöglichen.

wir werden dabei die „provinz“ nicht „urbanisieren“ können, was meint, zentrums-strategien nützen uns da draußen nichts. eine der größten aufgaben liegt im augenblick darin, verständlich und nachvollziehbar zu machen, daß wir eine profession ausüben, die kein dekorations-geschäft, kein wellness-angebot und keine „quotenmaschine“ für den tourismus ist, sondern ein zentrales ereignis menschlicher gemeinschaft, das versierte akteurinnen und akteure braucht.

entsprechend kann sich kulturpolitik nicht darin erschöpfen, die (immer weniger werdenden) kulturbudgets zu verteilen und veranstaltungen zu eröffnen. so ein pures „funktionärs-verständnis“ von kulturpolitik wäre völlig ungeeignet, relevante kulturelle beiträge zur bearbeitung aktueller fragen und probleme zu erbringen.

als künstler bin ich natürlich nur der kunst verpflichtet, die ihre eigenen aufgabenstellungen und strategien hat. aber in der künstlerischen praxis erwerbe ich kompetenzen, die mir als kulturschaffender und als bürger viel nützen, um im sinne von kollektiv zu schaffenden aufgaben im gemeinwesen wirkungsvoll tätig zu sein.

[überblick]

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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