ich kann in meinem milieu keineswegs die auffassung voraussetzen, daß KULTURPOLITIK von sehr viel mehr handeln sollte als von einer mittelvergabe an kunstschaffende, um kunstproduktion zu ermöglichen und um kunstpräsentationen zu ermöglichen.
jenseits des landeszentrums ist die vorstellung gar nicht selten, kulturpolitik sei im wesentlichen: ausstellungen, konzerte und lesungen zu ermöglichen und zu eröffnen. punktum! im zetrum des geschehens sehe ich vor allem die vertretung von partikularinteressen. eine arbeit an einem größeren ganzen scheint kaum anziehend zu sein.
das rächt sich natürlich postwendend, wenn wohlstand verklingt und verteilungskämpfe schärfer werden. dann erscheint nämlich das konzept „ausstellungen, konzerte und lesungen ermöglichen und eröffnen“ schagartig als „dekorationsgeschäft“, das von einer majorität für verzichtbar gehalten wird.
grob zusammengefaßt:
wenn wir gegenwartskunst und volontary arts kategorial nicht zu unterscheiden wissen, wenn darüber hinaus NUR kunstproduktion, vermittlung und repräsentation als KULTURPOLITISCHE AGENDA verstanden und vertreten werden, geht der laden den bach runter. genau: jetzt!
wo wir also einen größeren soziokulturellen zusammenhang weder zu argumentieren, noch zu praktizieren verstehen, sagt die kommunal- und regionalpolitik: „wir können den winterdienst für unsere großen wegenetze kaum schaffen, ohne zu ächzen, wir können die pflegekosten für unsere leute nicht mehr zahlen, was, bitte, wollt’s IHR denn jetzt?“
hinzu kommt verschärfend, daß es ein eklatantes „stadt-land-gefälle“ zwischen graz und der restlichen steiermark gibt und daß jenseits von graz strukturen des kulturbetriebes großflächig fehlen, vom vorhanden gerade vieles wegbricht. ich habe den status quo kürzlich in unserem projektlogbuch zusammengefaßt: [link]
eine ig kultur steiermark [link] zeigt keinerlei nachvollziehbare wahrnehmung für das zentrum-provinz-gefälle und die wesentlich höhere brisanz der situation kulturschaffender jenseits von graz. im gegenzug gibt es keine hinweise auf eine relevante lobby-bildung kulturschaffender der „provinz“, sei es für sich, sei es innerhalb einer ig kultur steiermark.
es ist natürlich viel komfortabler, im landeszentrum zu verbleiben, die codes arabischer kulturen zu plündern, schuhe zu werfen und sich auf einer „oasen“-party mit dem kabarettisten josef hader fotografieren zu lassen.
ja, ich weiß, polemik.
bemerkenswert ist bloß, daß ich in letzter zeit keine probleme hatte, vertragsbedienstete wie etwa heimo steps (vorsitzender des förderausschusses) oder sogar landeskulturreferent christian buchmann hier vor ort zu sprechen. referatsleute wie sandra kocuvan oder gerald gigler haben auch kein problem, gelegentlich in die oststeiermark zu fahren, damit wir uns akuten fragen widmen können.
aber unsere primären kolleginnen und kollegen neigen eher zur haltung: „Lieber Martin, wann bist Du in Graz und hast Zeit für ein klärendes Gespräch? Liebe Grüße, Christian.“ so der künstler und kulturaktivist christian w. am 7. juni 2011, das war’s.
es gibt im eigenen milieu nicht einmal eine wahrnehmung, was das allein an konkreten reisekosten anhäuft, 30 bis 50 mal pro jahr aus der provinz nach graz zu fahren. selbst manche leute, die etwas von mir brauchen, scheuen den weg in die oststeiermerk und haben die chuzpe zu fragen: „wann bist du denn einmal in graz?“
wir teilen uns also keineswegs die anfallenden mobilitätskosten, wie auch sonst viele grazer zentrums-leute ein höheres maß an mitteln und möglichkeiten lieber in graz gebündelt sehen. siehe dazu meine zusammenfassung „zur lage: zentrum/provinz“ im projekt-logbuch: [link]
der ruf nach solidarität bedeutet also primär einen ruf der solidarität zum zentrum. wie erwähnt, ich habe selbst hochrangige leute der steirischen kulturpolitik und der verwaltung öfter in der oststeiermark gesehen als kolleginnen und kollegen aus graz. ich hatte öfter gelegenheit, meine ansichten mit diesen amtstragenden hier zu diskutieren als mit grazer leuten meines metiers.
mehr noch, sogar das „Steiermärkisches Kultur- und Kunstförderungsgesetz 2005“ betont explizit in § 1 punkt (5) „Dieses Gesetz verfolgt auch das Ziel, den Gemeinden als Vorbild für deren Kunst- und Kulturförderung zu dienen.“ das muß alles jenseits von graz überhaupt erst kommuniziert, bearbeitet und aufgebaut werden. das würde aufgrund fehlender evidenz in der „provinz“ einen erhöhten einsatz an mitteln verlangen, fördermittel UND vielleicht auch personelle unterstützung von grazer sachkundigen, die uns dabei mit know how und renommee begleiten, unterstützen könnten.
ein entsprechendes begehren habe ich kürzlich im salzamt abgegeben.
p.s.:
wo liegt das salzamt? na, wenn sie einmal nach graz kommen, werden sie es schon finden.
— [übersicht: wovon handelt kulturpolitik?] —