der tag auf dem weg zu ulla rauters vernissage war von „belfast-wetter“ geprägt. das ganze spektrum von regen wind und sonne, mehrmals abwechselnd, kalt, warm und heiß im ständigen durchlauf. spaßige zustände! wie sehr wußte ich es zu schätzen, daß wir gerade zur ausstellungs-eröffnung, als ein arger regenguß sich über uns entlud, in einer mit glas bedeckten passage zugange waren.
kuratorin mirjana peitler-selakov hatte eine der interessantesten jungen künstlerinnen aus der klasse brigitte kowanz („angewandte“, wien) eingeladen. rauter arbeitet konsequent entlang einem klaren konzept, mit präziser umsetzung ihrer werke. an einer stelle im feature von peitler-selakov klingt das so:
„Das Ausgangsmaterial zu Sound Surfaces sind reale Ton-Quellen. Das ‚reale‘ Material wird durch das digitale Medium praktisch entfremdet und in einen einfachen Datenfluss übersetzt. So wird das Objekthafte, das Räumliche, zuerst auf reine Oberfläche reduziert und dann durch den Prozess des Lichtmalens transparent gestellt, in ein Konturenrelief verwandelt. Von der digitalen Spur wird aus dem Klang ein reduziertes Bild erstellt; oder die Bewegung initiiert.“
in der praxis war das dann an kuriosen technischen umsetzungen zu erfahren, die einerseits in ihren funktionen, andererseits in den ästhetischen qualitäten der erscheinung überraschen, um schließlich in ihrer anwendung denk- und erfahrungsprozesse anzustoßen.
ein beispiel für gegenwartskunst, die zum einen theoriegeleitet ist, also auf komplexen deutungen unseres technischen und medialen status quo beruht, zum anderen ein ästhtetisches ereignis sind, was meint: wahrnehmungserfahrungen initiieren, um dann, drittens, weiterführende denkprozesse zu triggern.
wir haben hier in der region noch vorherrschende auffassungen, vom erbauungs-, erfreuungs- und letztlich unterhaltungscharakter, der sich dem kunstgeschehen aufbürden ließe. so wie vernissagen, allerdings zu recht, mit der funktion eines sozialen ereignisses befrachtet sind.
würde das in summe bloß zu einem fröhlichen KONSUM von wein, brötchen und sinneseindrücken führen, bliebe das ein ereignistyp, den man beruhigt an den sozialausschuß für eine kooperation mit dem tourismus-büro abgeben könnte.
hier ist das dann doch wesentlich anders angelegt und genau nicht so aufbereitet, um den prinzipien unserer konsumkultur zu dienen.
der abend mit ulla rauter hat zu einigen debatten geführt. dabei stand erneut klar im fokus: die kunst ist die kunst und hat keine anderen aufgaben, als ihren eigenen möglichkeiten gewidmet zu sein. aber die BEFASSUNG mit kunst, egal ob schaffend oder rezipierend, führt zu erfahrungen und kompetenzen, auf die ein gemeinwesen dringend angewiesen ist.
spät am abend waren wir in einer verbleibenden runde auch dabei angelangt, daß wir dieser unserer gesellschaft einen rasenden KOMPETENZVERLUST zuschreiben dürfen, der ziemlich viele lebensbereiche betrifft. das gipfelt unter anderem in der tatsache, daß eines der reichsten länder der welt eines der teuersten bildungssysteme europa mit einem der schlechtesten ergebnisse europas hat.
auch die aktuellen ereignisse in den kontroversen zwischen kommunen, land und bund lassen sich ohne probleme als ausdruck eines zusammenbrechens von kommunikationslagen anläßlich gescheiterter problemlösungsmomente erkennen.
in eben diesen zusammenhängen können wir geltend machen und nachweisen, daß ein kulturelles engagement auf der höhe der zeit möglich ist, welches solche probleme nicht gleich aus der welt schafft, wo aber strategien und verfahrensweisen erprobt werden, in denen sich auf lokaler und regionaler ebene wieder wege öffnen lassen. wege der kommunikation, der selbst- und fremderfahrung, des begreifens immer komplexerer gesellschaftlicher zustände, bei gleichzeitiger praxis des HERUNTERBREMSENS jener schnell-schnell-welterklärungsmethoden, die ja offensichtlich immer tiefer in stagnation hineinführen.
– [frauenmonat 2011: FMTechnik!] –