wovon handelt kulturpolitik? #5

in meinem milieu dominiert die erwartung, kulturpolitik möge mittel für die produktion von kunstwerken und für deren präsentation verfügbar machen, also für ausstellungen, veranstaltungen etc.

da wir für diese erwartung ein klares gegenüber wünschen, das sich uns verpflichtet fühlt, kann ich die vorherrschende bipolarität im verhältnis kunstschaffende/kulturpolitische funktionstragende nachvollziehen. aber ich muß sie aus prinzipiellen gründen ablehnen.

das heißt: kulturpolitik als aufgabe funktionstragender der politik ist ausdruck einer riskanten selbstbeschränkung. kulturpolitik ist das ergebnis der aktivitäten verschiedener deutungseliten. die politischen funktionstragenden sind bloß eine davon.

hier das personal der kulturpoliztik, da die kulturschaffenden? lieber nicht! (quelle: ig kultur steiermark) kulturPOLITIK ist unser aller sache, kulturPOLITIKERINNEN sind nur eine der damit befaßten formationen.

ich träume mir kulturbeauftragte von land und kommunen weder als meine förderer, noch als gunsterweisende instanzen, aber auch nicht als feindbilder. ich möchte davon ausgehen, daß wir kooperationsmodelle zu erproben haben, was voraussetzt, daß wir rollen und aufgaben stets neu klären.

das stützt sich auf meine vorstellungen gemäß einem denkmodell von drei sektoren (staat, markt und zivilgesellschaft), daß zwar in jedem der bereiche/sektoren eigene prioritäten vorherrschen, daß wir aber ein gemeinsames feld bearbeiten, was ja auch gemeinsame interessen nahelegt.

daraus folgt, daß ich genau diesen arbeitsansatz auch als leistungsfähige methode betrachte, gegen bestehende mißstände auf diesem feld vorzugehen. das bedeutet wiederum, daß alte, liebgewonnen feindbilder hinter uns bleiben müssen. „wir gegen den markt“ und „wir gegen das politische personal“ sind aussichtslose posen, die auf kräftemessen setzen.

mir fehlen beispiele, daß solche art kräftemessen jemals von kunstschaffenden für sich entschieden worden wäre. ich kenne in der geschichte kein einziges beispiel von einem „aufstand kunstschaffender“. und wenn es in europa je um rebellion gegangen wäre, dann nicht um die sache der kunst.

das aktuelle steirische rebellen-gehampel in der auseinandersetzung mit der landesregierung müßte sich in eben dieser attitüde, nämlich ein „aufstand“ sein zu wollen, wenigstens an jenem historischen ereignis messen lassen, bei dem im 20. jahrhundert kunstschaffende und intellektuelle in waffen gingen, um die tyrannis zurückzuschlagen. ich meine den spanischen bürgerkrieg.

"el generalissimo franco" sah im spanischen bürgerkrieg auch kunstschaffende und intellektuelle im gegnerischen lager

wollte ich wissen, was ein rebell sei, werde ich auch in jenem krieg, für den die nazi in spanien geübt haben kaum fündig. vor der puren gewalt, dem terror der nazi, war offener widerstand die ausnahme. auf dem weg dorthin finden sich allerdings schon beispiele, aber eher nicht unter kunstschaffenden. ich denke an den arbeiter koloman wallisch [link] und seine leute, deren unbeschreiblicher mut sie bewegte, dem faschismus das eigene leben entgegenzustellen.

wenn eine empörung schon ein "aufstand" ist, wie wollen wir das dann benennen?

wir aber, unter denen einige zur zeit so laut auftreten, um ein aufstehen zu zeigen, das ein aufstand sein möchte, das sich überdies durch das plündern arabischer codes und deutliche aussagen den aktuellen aufständen im arabischen raum anbiedert, wo unbewaffnete in die konfrontation mit elite-einheiten gehen, wir sind im wesentlichen mit kunst befaßt, mit ihrer praxis, vermittlung und rezeption.

weder das anbrüllen von politischem personal noch das werfen von schuhen ändert etwas an der tatsache, daß wir hier bestenfalls unsere interessen verhandeln. VERHANDELN! es ist mir – wie angedeutet – aus dem ganzen 20. jahrhundert kein aufstand kunstschaffender bekannt, es wird voraussichtlich auch dieser keiner sein. ich neige zur ansicht, die groß angelegte geste soll den blick darauf verschleiern, was wir aktuelll zu klären hätten.

wenn wir über steirischen KULTURPOLITIK reden wollen, dann hätte ich dazu gerne eine aussagekräftige momentaufnahme, die deutlich macht: welche instanzen sind teil des kulturpolitischen geschehens? welche agenda wären mit welchen prioritäten zu ordnen? welchen ansprüchen stehen welche verpflichtungen gegenüber?

wie schon früher erwähnt, in der praxis haben etwa kulturbeauftragte der kommunen jenseits von graz überwiegend die vorstellung, ihre aufgabe handle davon, verfügbare miniatur-budgets zu verteilen und daraus resultierende veranstaltungen zu eröffnen.

während das landeszentrum sogar unter widrigsten umständen noch von genug menschen bewohnt wird, deren kulturelle bedürfnisse und auffassungen eine kulturpolitische grundsituation ergeben, welche verschiedene gesellschaftliche instanzen berührt, gibt es zahllose kleine orte und städte, in denen davon nichts zu finden ist.

statt also ein wettrennen um partikularinteressen abzuhalten, wahlweise eine landesweite „wir-situation“ zu simulieren, die keiner genaueren überprüfung standhält, könnten wir langsam beginnen, eine zeitgemäße vorstellung von kulturpolitik zu formulieren, in der rollen und aufgaben etwas präziser dargestellt sind.

solche klarheit vermisse ich momentan. daraus schließe ich, in meinem milieu wissen wir zwar, was wir von der landespolitik wollen, nämlich mehr geld, aber wohin das mit welchen methoden und strategien führen soll, das wissen wir eigentlich nicht.

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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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