„was? das soll kunst sein?“ diese frage begleitet meine wege durch ausstellungräume seit jahrzehnten wie ein häßliches glockenläuten. ich habe solches fragen, das eigentlich eine feststellung ist, nicht nur angesichts konkreter werke gehört, sondern auch in unzähligen gesprächen über künstlerische ereignisse. ich höre es sogar gelegentlich im vorbeigehen von leuten, mit denen ich nichts zu tun habe. etwa vor dem schaufenster einer kleinen gleisdorfer galerie, wo eine frau lautstark verkündet, „nicht amal geschenkt“ möchte sie eines der bilder haben.
das ist doch sehr erstaunlich, wie viel abschätzigkeit manche menschen für etwas aufbringen, das sie ganz offensichtlich nicht interessiert, obwohl es sie sehr beschäftigt. es markiert eine aussichtlose position, angesichts eines werkes „das soll kunst sein?“ zu fragen, wo jemand ja auch fragen könnte: „womit hab ich es hier zu tun?“ nämlich nicht mit KUNST, sondern mit einem kunstWERK.
kunstwerke sind keineswegs zwangsläufig von hausaus welche. wenn sie aber als welche gelten, können sie diesen rang prinzipiell auch wieder verlieren. sollte ein werk über mehrere jahrhunderte solchen rang haben, also zum KANON unserer kultur zählen, ist es freilich sehr unwahrscheinlich, daß es so viel trivialisierung erfährt, um schließlich wieder zum plunder zu zählen. das ist allerdings nicht prinzipiell ausgeschlossen.
zu unserer zeit dominiert demnach NICHT die auffassung, daß für die kunst EWIGE WERTE zur disposition stünden. (ich nehme an, dafür fühlt man sich auf den feldern der religionen zuständig, die kunst ist kein hort des „ewigen“.) die kulturökonomie von boris groys, hier schon erwähnt: [link], beschreibt diese dynamik als ein wechselspiel zwischen valorisierung (aufwertung) und trivialisierung (abwertung), wodurch werke zwischen „profanem raum“ und „archiven der kultur“ bewegt werden. sie werden folglich als mehr oder minder der aufbewahrung für wert befunden.
dabei sind diese werke auch einer höchst wechselhaften bewertung unterzogen, was a) ihren KULTURwert und b) ihren MARKTwert angeht. das hat so seine bezüge zu den kategorien GEBRAUCHSwert und TAUSCHwert. was eine sache mir wert ist und was sie auf dem/einem markt wert ist, sind sehr unterschiedliche angelegenheiten.
vor dem hintergrund dieser kräftespiele und bewertungsprozesse, die allerhand mit definitionsmacht zu tun haben, steht es uns allen natürlich frei, uns in selbstermächtigung zu üben. ich denke, es ist so banal, wie es erscheint: wenn ICH sage, daß es ein kunstwerk ist, dann ist es eines. (kaum ein aspekt des kunstgeschehens scheint mehr zu provozieren als dieser!) ob ich auch andere menschen zu dieser einschätzung bewegen kann, bleibt abzuwarten.
wenn mir dabei aber zustimmung verwehrt bleibt? na, dann ist die sache noch längst nicht entschieden. ein stück ewigkeit könnte in der angelegenheit zu meinen gunsten ausfallen. es gilt unter vielen kunstschaffenden allerdings eher als unschicklich, sich frech an die ewigkeit zu wenden. aber vermutlich haben jene kolleginnen und kollegen, die das konsequent und professionell tun, keine schlechten karten. zumindest für einige zeit. wie angedeutet, mit der ewigkeit kann man keine geschäfte machen. zu viele unwägbarkeiten.
kurz noch einmal zu meiner bemerkung aus dem vorigen eintrag: ich PRODUZIERE kunst nicht, ich PRAKTIZIERE sie. das führt zu werken, zu artefakten und prozessen, die für augenblicke bedeutung und gewicht haben, manchmal für länger. wenn etwas davon marktwert erringt, sich also in geld konvertieren läßt, auch gut. ein komplettes jahreseinkommen erwarte ich mir aus solchen möglichkeiten nicht, dafür ist österreichs markt zu klein und mir selbst die welt zu groß.
was mein jahreseinkommen angeht, können sie der notiz „Einige Takte Klartext: Soziales“ [link] details entnehmen. es ist mir schon lange zu dumm, daß solche dinge bei uns wie staatsgeheimnisse behandelt werden, weshalb man nicht so genau weiß, wovon die rede ist, wenn die sprache auf die soziale lage kunstschaffender in österreich kommt. daher dieses stück klartext.
fußnote: daß ich FREISCHAFFENDER künstler bin, ist eine soziale kategorie, es ist keine kategorie der kunst! ich habe als künstler von berufs wegen simultan mit sehr verschiedenen wertkonzepten zu tun. da ist es meiner ansicht nach sehr hilfreich, wenn gelegentlich klartext gesprochen wird, weil sonst ein unerträgliches ausmaß an konfusion um sich greift.
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