philosoph oliver marchart schrieb in seinem aufsatz „kulturarbeit als ‚freie opposition’“ zur „ewigen frage: was tun?“: „es geht nicht mehr nur voluntaristisch darum, möglichst schnell möglichst viele leute auf die straße zu bringen. neue fragen sind dazugekommen: wie kann dem widerstand dauer und substanz gegeben werden? wie läßt sich erreichtes (wie politisierung, engagement, netzwerke, kontakte…) befestigen und ausbauen?“
die publikation „sektor3/kultur“ (widerstand, kulturarbeit, zivilgesellschaft) stammt aus dem jahr 2000. es war die zeit einer blauschwarzen regierung. marchart fragte in seinem text: „wie läßt sich die momentane politisierung halten?“ wir müssen möglicherweise zugeben: es kann gar keine rede davon sein, daß wir diesen oder jenen status von 2000 gehalten hätten. ich sehe weder eine klare kontinuität, noch eine kollektive reflexion der gemachten erfahrungen, um strategien und kulturelle praxis zu evaluieren.
aus welcher position sprechen ich? die sache beschäftigt mich als freischaffender künstler, der ein kulturelles engagegement jenseits des landszentrums verfolgt, und zwar im sinne der ideen eigenständiger regionalwntwicklung. dabei trete ich als akteur einer „netzkultur-szene“ auf, die sich seit etwa ende der 1980er-jahre bemüht hat, sich mit eigenen konzepten gegenüber den etablierten major-companies des mediengeschehens aufzustellen.
das hieß ursprünglich: zeitung machen, kleinverlage entwickeln. dazu kamen später erste online-projekte, schließlich komplette server-crews von netzkultur-knoten, schließlich die freien radios, welche durch den fall des rundfunk-monopols möglich wurden.
das buch „sektor3/kultur“ dokumentiert eine konferenz der ig kultur österreich, die im frühjahr 2000 stattgefunden hat. rund ein jahr davor hatten wir in linz die „meko 99“ absolviert. es war die erste österreichweite medienkonferenz dieser drei milieus, der print-leute, der web-leute und der radio-leute. diese konferenz wurde im buch „sektor3medien99“ (kurskorrekturen zur kultur- und medienpolitik) dokumentiert. hier die „linzer erklärung“: [link]
ich sehe mich bei meiner arbeit in dieser tradition stehend, vermisse dabei aber klar die kontinuität einer „szene“. wir haben zwar beispielsweise in graz einige biennalschritte mit dem „ncc“ vollzogen, dem „net art community congress“, der schließlich vom kongress zur convention wurde: „net art community convention“: [link]
aber es läßt sich nicht belegen, daß netzkultur-szene und etwa eine ig kultur steiermark zu einer vernetzten und kontinuierlichen kulturpolitischen arbeit gefunden hätten, die vor allem auch im „realraum“ über das zentrum graz hinaus gewachsen wäre. analoger raum und virtueller raum blieben in der frage ungenutzt. auch via teleworking ist nichts entstanden, was sich über einige jahre bewährt hätte.
ich betone diese punkte, weil die aktuelle politische lage der steiermark bei der zivilgesellschaft mehr als dringenden handlungsbedarf aufwirft. aber, wie oliver marchart notiert hat: was tun? eine aktionsbereitschaft, die sich hauptsächlich auf den straßen von graz manifestiert hat, bewirkte in aktuellen budgetverhandlungen tatsächlich einige wirkung. so viel ist evident. was folgt daraus? wie und womit wird es weitergehen?
ich haben nun an mehreren stellen drei grundlegende fragen notiert, die sich im netzkultur-kontext nahelegen, die aber in einer demokratie ganz generell fundamentalen rang haben:
+) bin ich sichtbar?
+) werde ich gehört?
+) werde ich verstanden?
wo der gang in den öffentlichen raum, auf die straße, gelingt, wenn dabei eine große anzahl von menschen mobilisiert wird, habe ich kurzfristig die ersten beiden fragen eingelöst. da ich aber die orientierung hin auf die einlösung der dritten frage für unverzichtbar halte, muß klar sein, daß die strategien der mobilisierung richtung straße dazu nichts beitragen.
das bedeutet, es muß komplementär noch andere ansätze und verfahrensweisen geben. die handeln von kommunikation, diskurs und von medialen angelegenheiten, also auch von medienkompetenzen. das sind auf jeden fall netzkultur-agenda. die kunst wird dabei selbst keine unmittelbare rolle spielen, weil kunst kein werkzeug ist. aber kunstschaffende wären natürlich gefordert, jene kompetenzen, die man aus künsterischer praxis erwirbt, in diese prozesse einzubringen.
siehe zum aktuellen stand der dinge auch:
+) bitte aufwachen!
+) klärungsbedarf
+) streitkultur oder kulturstreit?
— [netzkultur: der überblick] —