für mich war im letzten oktober klar, daß jetzt eine wildwasserfahrt angeht, bei der nicht absehbar ist, welches ausmaß an blauen flecken uns blüht. niemand, der auf dem kunstfeld seine arbeit bei vollem bewußtsein tat, konnte übersehen, was anlag.
wir hatten schon seit dem frühjahr 2010 von der voraussichtlich 25 prozent betragenden minderung des nächsten kulturbudgets auf landesebene gehört. graz war zu der zeit ohnehin längst pleite und florierte kulturell zu lasten der restlichen steiermark. ein ländlicher ort wie gleisdorf, wo ich lebe und arbeite, hatte 2010 bereits minus 60 prozent realisiert, inzwischen sind wir – gegenüber 2009 – bei etwa minus 75 prozent kulturbudget angelangt. (siehe dazu den beitrag „kulurpolitischer status quo“!)
das alles bedeutet nicht, ich sei im blick auf 2011 mit eibner gabe der prophetie ausgestattet gewesen. es waren eigentlich bloß die deutlichsten zeichen zu lesen und daraus ein paar simple schlüsse zu ziehen. anders ausgedrückt: wer eins und eins zusammenzählen konnte, wußte bescheid.
wie erwähnt, das zentrum graz florierte auf kosten seiner peripherie, wo – in der sogenannten „provinz“ – nicht nur viel überzeugungsarbeit anlag, sondern auch die überwiegend abwehrende haltung der kommunalpolitik einen verstärkten einsatz des landes gebraucht hätte, um dieses kulturpolitische gefälle zu kompensieren und uns bei unserem ringen um bodengewinn für kultur und gegenwartskunst zu unterstützen.
im sommer 2010 war eigentlich klar, daß in den meisten gemeindestuben großer konses herrschte, daß bei den kommenden finanzproblemen kunst und kultur als erstes zurückgekürzt werden sollen. nach einer umfrage des „gemeindebundes“ waren 91% der bürgermeisterinnen und bürgermeister so wie 95% der bevölkerung dieser meinung. kein anderer kommunaler aufgabenbereich hatte eine so hohe zustimmung zu kommenden kürzungen.
ich hatte das mehrfach mit leuten diskutiert, zu saisonauftakt im projekt-logbuch [link] vermerkt etc. es hat sich nicht gezeigt, daß sich wachsende keise oder sogar „die szene“ hätten aufraffen wollen, etwa mit konsequenter überzeugungsarbeit loszulegen und das breit zu entfalten, um gegen diese stimmung anzugehen. es weist auch nichts darauf hin, daß es wenigstens denkmöglich wäre, DIESES thema den leuten mit aktionen auf der straße nahezubringen.
anders ausgedrückt: es kann mir niemand erzählen, es wäre vorstellbar, das personal der steirischen gemeindestuben per protestbewegung zu bewegen, die oben skizzierten haltungen aufzugeben. es haben zwar aktuelle anstrengungen gezeigt, daß etwa konzentrierte protestaktionen auf den straßen die LANDESpolitik nicht unbeeindruckt lassen, da sehe ich aber wirkungen erst einmal im sozialbereich, der kulturbereich dürfte auf diesem kommunikationskanal nicht gar so hellhörig dastehen.
dazu kommt: bevor in österreich zusammenrottungen auch nur in erwägung gezogen werden, heftigkeiten zur debatte stehen, eine wachsende konfrontation mit poltischem personal wenigsten denkbar erscheint, machen wir sowieso vorzugsweise einmal ferien. falls wir dabei einige unserer vorteile einbüßen, werden wir uns erregen. und weil wir auf dem weg in die kunst überwiegend bohemiens waren, werden wir den „rebellen“ in uns von der kette lassen, der macht dann ein grimmiges gesicht und stößt drohungen aus.
zu dem zeitpunkt fühlen wir uns ganz gefährlich und erzählen einander, es werde einen AUFSTAND geben. freilich wissen unsere gegenüber in dieser kontroverse, daß wir höchstwahrscheinlich das boot, in dem wir alle sitzen, nicht gar zu heftig schaukeln werden, schon gar nicht versenken. in welchem boot wir da sitzen?
das wissen wir eigentlich nicht so genau, wir wollen es nicht wissen. denn solche reflexions- und erkenntnisarbeit würde zum beispiel folgendes deutlich machen: die bourgeoisie, der gegenüber wir uns da so rebellisch gerieren, ist a) unser einziges publikum, b) unsere einzige kundschaft, c) unsere hauptsächliche geldquelle und d) das einzige ziel unserer „gesellschaftskritik“. aus welchem paradies wollen wir die rausschmeißen?
da liegt doch viel näher, daß wir party machen …
kleiner scherz! es wird wohl eher zeit für aktuelle kulturpolitische konzepte und angemessene basisarbeit, um ihnen geltung zu verschaffen.
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