einwände, einwände, einwände. ich höre meist einwände, in den geringeren fällen wohlmeinende oder gar geistreiche äußerungen zur kunst, die mir vielleicht von leidenschaft, eventuell von freude und unter umständen von etwas sachkenntnis erzählen. ich kann nur staunen, wie viel abschätziges ich quer durch’s jahr über „die kunst“ oder einzelne werke höre.
ich mache es mir selbst etwas einfacher. von dingen, die mich langweilen, wende ich mich sehr schnell ab. ich brauche auch nicht unerhebliche darbietungen anderer zu bemerken, um den wert meines eigenen tuns zu betonen. letztlich ist aber die kunst so voller unermeßlicher angebote, voller bewegender, vorzüglicher werke, daß ich kaum zeit und anlaß finde, mich mit schlechten arbeiten zu befassen.
andrerseits belegt die offensichtliche flut teils sehr schwacher arbeiten, daß bei uns eigentlich sehr viele menschen sich mit solchen techniken und künstlerischen strategien aktiv befassen. wer wollte ihnen vorwerfen, falls sie es dabei nicht zur meisterschaft bringen? DASS sie sich mehr oder weniger intensiv mit derlei dingen befassen, ist sicher ein gewinn für sie selbst und wahrscheinlch auch ein gewinn für die gemeinschaft, der sie angehören.
zurück zu den alltagsdiskursen über kunst, welche so auffallend oft eher abschätzig ausfallen. das übliche gezänk halte ich für ermüdend. wo mich jemand erkennen läßt, daß er oder sie eigentlich keinerlei nachvollziehbares interesse am thema kunst hat, was sich meist durch das fehlen wenigstens EINIGER grundlegender kenntnisse zur sache ausdrückt, will ich mir dessen ansichten über kunst gar nicht anhören. wozu? diese suderei, deren intentionen völlig im dunkel bleiben, läßt mich ratlos zurück.
aber das läßt sich auf jedes metier und jedes genre umlegen. chirurgie? autoreparatur? gärtnerei? kindererziehung? wenn alles nur mist sei und alle nur stümper wären, wenn es früher oder nie besser gewesen sei, wenn nichts von dem, was man zu sehen oder zu hören bekommt, etwas taugt, dann meine ich: man könnte auch einen strick nehmen oder sich in der verachtung der welt bequem einrichten und warten, bis einem die ohren abfallen, die augen erblinden … dann ist es eben so und das entzieht sich jeder fruchtbaren debatte.
im beitrag #3 zu dieser kleinen plauderei findet man eine fotografie, die mir teuer ist. sie zeigt den moment eines alten künstlers, da er sich selbst gerade radikal in frage gestellt hat. er ließ mich in diesem intimen moment so nahe an sich heran, daß dieses bild entstehen konnte.
ich habe die aufnahme gemacht, als ich mit dem maler hannes schwarz zum stift admont gefahren war. dieser mann von erheblichem künstlerischen rang, seit jahren unfähig zu malen, weil ihn eine schüttellähmung schwer beeinträchtigt, hatte sich die reise gewünscht, denn in admont besteht eine sammlung von früheren schwarz-werken, die er jahrzehnte nicht mehr gesehen hatte.
hannes sagte, er würde gerne überprüfen, ob diese werke seiner heutigen auffassung von kunst und den daraus resultierenden kriterien standhalten würden. ein insofern riskantes unterfangen, als er ja, falls er große teile seines oeuvres verwerfen müßte, nicht mehr in der lage wäre, neue arbeiten zu schaffen, die diesen verlust ausgleichen würden. warum ich diese geschichte erzähle?
ich möchte eine vorstellung anbieten, welche dimensionen die befassung mit kunst haben kann. hannes und seine frau friedl haben ein ganzes leben lang stets nach weiteren ästhetischen erfahrungen gesucht, waren immer auf der suche nach eindrücken, die bestehendes in einen kontrast zu einander setzen.
es paßt zu dieser geschichte, daß friedl voriges jahr während eines ruhigen ausstellungsbesuches in kärnten verstarb. ja, sie hatten gerade erst begonnen, gemeinsam mit dem kunstsammler erich wolf eine kollektion anzusehen. erich hat mir die geschichte erzählt. friedl lag schließlich tot in dem etwas abgeschiedenen museum. es war auf den transport des leichnams zu warten und die leitung des hauses hatte eine angekommene besuchergruppe gebeten, auf einen rundgang zu verzichten, bis friedls leib geholt würde. also waren die zwei, hannes und erich, in der stille zwischen den werken …
hannes, von dem man annehmen darf, daß er in diser situation mehr als nur betroffen war, die beiden hatten jung geheiratet und ein langes leben mit einander verbracht, schlug erich vor, in der verbleibenden zeit durch die ausstellung zu gehen. so teilte er mit seiner frau über deren tod hinaus noch einige momente dieses gemeinsamen erlebens von kunstwerken, das alle ihre gemeinsamen jahrzehnte bestimmt hatte.
ich erzähle das nicht aus ergriffenheit, sondern weil es nach meinem geschmack illustriert, was uns die kunst sein kann. es ist diese art von verbindlichkeit und intensität, die ein level markiert, auf dem ich mich mit jemandem über kunst ausseinandersetzen mag. ein level, auf dem die leidenschaft für die erfahrung von kunst tonangebend ist, für ihre relevanten werke, nicht für ihre schwachen momente …
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