warum führen wir gerade arbeitsgespräche in serbien, wo “kunst ost” doch eine regionale kulturinitiative ist? wir befinden uns momentan in novi sad, der hauptstadt der vojvodina. die stadt ist von der dimension her mit graz vergleichbar. die provinz vojvodina wird von der eu einer „zukunftsregion“ zugerechnet: „Die heute abgesegneten Projekte sehen u.a. eine Bio-Großregion vor, die vom Veneto und Friaul über die Steiermark bis Ungarn und die Vojvodina reicht.“ [quelle]
auf der „matriosca“-website finde ich in der liste der projekt-partner die vojvodina noch uner dem länderkürzel SCG, was serbien und montenegro (crna gora) als gemeinsamen staat meint. das hat sich ja schon vor einem weilchen geändert, montenegro erlangte 2006 eigenstaatlichkeit.
in diesem jetzt nicht rasend wichtigen detail liegt aber ein hinweis darauf, warum wir kulturellen austausch mit leuten aus serbien pflegen. es sind nicht die kriterien der verwaltung bestehender eu-projekte, die uns das nahelegenen. doch wie oft hat man gelegenheit, einem tatsächlichen „nation-building“ beizuwohnen? hier entstehen gerade neue nationalstaaten, die darum ringen, ihre kriegs-traumata hinter sich zu lassen.
in diesen situationen, die von mangel und konflikten geprägt sind, hat die gegenwartskunst nicht gerade hohe priorität. das drückt sich einerseits im eklatanten ressourcen-mangel aus, andrerseits sind bestehende strukturen teilweise ausgetrocknet, sogar stillgelegt. dazu kommt für kunstschaffende aus dem südslawischen raum, daß sie von gesellschaftlich ganz anderen schwerpunkten geprägt wurden, was in der begegnung, teils konfrontation, mit dem „westlichen“ kunstmarkt zu kuriosen situationen führt.
wir haben nun seitens „kunst ost“ gute gründe, die debatten und den erfahrungsaustausch mit kulturschaffenen zu suchen, die sich unter diesen bedingungen kulturpolitischen fragen widmen. das ist aber nur ein aspekt, nämlich die frage, wovon denn kulturpolitik heute handeln solle. es geht ferner um strategien und praktische konzepte für ein kunstgeschehen, das sich nicht völlig den dominanten marktmechanismen ausliefern möchte.
es geht mutmaßlich auch um manche unterscheidungen zwischen gegenwartskunst und voluntary arts. was den „profi-bereich“ betrifft, stellt sich die frage, welche art broterwerb sich für kunstschaffende als machbar erweist. nun ist dieser erweb, also ein jahreseinkommen, das uns ökonomisch überleben läßt, keine kategorie der kunst, sondern eine soziale kategorie. aber es wird einleuchten, daß viele leute, die sich nicht auf den kunstmarkt allein als einkommensquele verlassen möchten, wenigstens kunstnahe arbeitsbereiche suchen, um sich da ihren lebensunterhalt zu verdienen.
jenseits dieser individuellen fragestellungen bleibt natürlich auch die anforderung bestehen, ob sich ein kulturbetrieb völlig in die zentren zurückzieht, wo er durch eine erhöhte konzentration der mittel und möglichkeiten handlungsspielraum hat. oder finden wir angemessene strategien, um auch in der sogenannten „provinz“, also jenseits der landeszentren, kulturelle prozesse zu initiieren und zu konsolidieren?
solchen überlegungen widmet sich zum beispiel momentan die sehr erfahrene kunsthistorikerin und kuratorin darka radosavljevic vasiljevic, welche eine der maßgeblichen akteurinnen war, um die belgrader kunsteinrichtung „remont“ aufzubauen. da bahnt sich ein spezieller austausch an.
wir haben also gute gründe, uns über die landesgrenzen hinweg mit engagierten und kompetenten leuten des kunstfeldes zu verständigen, um im laufenden erfahrungsaustausch eher herauszufinden, was unseren regional vereinbarten zielen nützt. ich darf auch davon ausgehen, daß das im geist jener intentionen angelegt ist, die auf landesebene überhaupt erst zu einem LEADER-kulturprogramm geführt haben …
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