können sie sich unter einem „wow-effekt“ etwas vorstellen? es ist gewissermaßen die triviale variante von „kathedrale!“ markanter effekt, heftige reaktion. so in der art. ja, das ist schon etwas, worauf in der kunst nicht unbedingt verzichtet wird. die etwas zurückhaltendere deutung dessen meint ungefähr einen „erhebenden moment“. das kann auch auf „andere zustände“ hinauslaufen. solche „alterated states“ kennen wir nicht nur durch die einnahme verbotener substanzen, der eigene leib produziert kraftvolle stoffe, die unsere wahrnehmung verschieben und uns in solche anderen zustände versetzen. menschliche kultur handelt seit ewigkeiten davon, was auch immer an mitteln und methoden dazu führt.
ob es also nun um eher triviale momente geht, ob wir uns feierlich fühlen und erhoben sein möchten, erhoben über alltägliche zustände, stets sind das intensive wahrnehmungserfahrungen. der hooligan, dem es während eines fußball-matches völlig die sicherungen schmeißt, tobt da vermutlich auf einem ähnlichen bedeutungs-kontinent wie die kunstfreundin, die von einem entzücken über besonderen kunstgenuß gerade auf wolken schwebt.
vermutlich würde man beim durchforschen unserer gehirne mit einem scanner feststellen, daß dabei – fußball-match oder kunstgenuß – einerseits höchst unterschiedliche neuronen-ensembles feuern, aber ich stelle mir vor, es gibt dabei andrerseits auch viele übereinstimmungen. kleiner einschub: was immer wir tun, was immer uns bewegt, es bildet sich in gehirnaktivitäten ab. es wird durch physikalische und chemische ereignisse, die heute durch verschiedene „bildgebende verfahren“ gut sichtbar gemacht werden können, in unseren köpfen repräsentiert. diese oder jene gehirnegionen zeigen dann „leuchtende“ aktivitäten, was vergleiche der anlässe und ereignisse zuläßt.
aber diese neuronale ebene interessiert mich im augenblick gar nicht weiter. wir sind als spezies offenbar ziemlich darauf versessen, „wow-effekte“ oder „kathedrale!“-momente zu erleben, ganz egal, wodurch wir sie auslösen und auf welche weise sie sich einlösen. in der wirtschaft bediebnt man sich dieser neigung von menschen ebenso wie in anderen branchen.
und die effekte selbst? kulturelle und soziale konventionen regeln hierarchien solcher momente. in meinen kindertagen galt etwa die polarisierung „schundhefte“ (comics) versus „das gute buch“ als turnierplatz des ringes um kulturelle exzellenz. ein anderer nebenschauplatz ist jener der „kitsch oder kunst“-debatte. aber das sind irgendwie bloß zeitbezogene konzepte der dünkelhaftigkeit, falls sich daraus frontstellungen ableiten. viele von uns finden aus dem „entweder-oder“ in das „sowohl-als-auch“.
ich hab derlei fragen gerade mit den beiden fotografen emil gruber und franz sattler erörtert. in dieser debatte hat gruber den begriff „kathedrale!“ als metapher verwendet. das gefällt mir und erscheint mir für unser thema passend. wir sind akteure des „kuratorium für triviale mythen“. es beschäftigt uns daher ein mögliches ineinandergehen von so unerschiedlichen positionen; nämlich was da einerseits der gegenwartskunst zugerechnet werden kann, was andrerseits sache der populärkultur ist. gegenwartskunst und produkte der pop-kultur sind nicht generell von einandner zu unterscheiden. überlappungen, interferenzen, trugbilder und falschmünzerei ergeben in summe ein gedeutungsgefüge, da war es vergleichsweise simpel, zu sagen: beethove, leonardo, thomas mann!
wir kinder des popismus und des kalten krieges haben uns eine kompliziertere welt angeeignet, als es alte eliten für möglich halten wollten. das macht mir dann auch als künstler viel freude, aber es muß stets unter der androhung massiver verunsicherung gelebt werden.
ich dar für uns drei — gruber, sattler und mich – behaupten, daß wir in unseren leidenschaften keine grenzen zwischen diesen feldern zur kenntnis nehmen; im sinne von: demarkationslinien, an denen wir uns aufhalten würden. es ist auch nicht so, daß unser gemeinsames tun vor allem auf einen „wow-effekte“ oder „kathedrale!“-moment zielen würde. als künstler wählen wir fragestellungen, mit denen wir uns befassen möchten. wir wählen uns gemeinsame aufgabenstellungen.
unsere erfahrung besagt, das führt sehr verläßlich zu besonderen momenten, zu anderen zuständen. das ist einfach so, aber es ist kein „hauptereignis“ in unserem künstlerischen tun. sie ahnen schon, das praktische tun, die erfahrungen, das erlebnis des kritischen austausches, nein! bitte nicht die floskel, daß der weg das ziel sei! wir haben uns nämlich keine bestimmten ziele gesetzt. es ließe sich bestefalls sagen: der weg ist der weg. das hat nun entweder eine sehr buddhistische anmutung oder es ist leeres geschwätz, also lassen wir das.
künstler betreiben künstlerische praxis. wir sammeln dabei erfahrungen mit höchst unterschiedlichen codes und mit fragen, wie man sie verwenden kann. wir tun derlei – jeder für sich – lange genug, daß erwartet werden darf, diese prozesse werfen gelegentlich brauchbare ergebnisse ab. ich kennen kolleginnen und kollegen, die sich dabei dann mit großen gesten hervortun. auch recht! mir egal. das präsentationsgeschäft zähle ich zu den sozialen agenda, nicht zu denen der kunst. marktschreierei halte ich für banal, aber ich ignorirer nicht, daß sich ohne solche zutaten nur schwer geschäfte machen lassen.
gesellige regung und gesellschaftliche relevanz halte ich für zwei grundverschiedene vorkommnisse. ich will nicht so tun, als wäre mir das ringen um sozialprestige völlig gleichgültig. wahrgenommen zu werden, reaktionen auf das zu erfahren, was einem gelingt, das sind ja früchte, die ich auch ganz gerne nach hause trage. zugegeben, wie jedes milieu seinen jargon bildet und seinen verhaltens-kodex entwickelt, ist das „zurückhaltungs-gebot“, welches mir gefällt, im kern auch bloß pose. oder aber doch: haltung? also etwas, das inhalt ist und inhalt ausdrückt?
[überblick]
emil gruber, martin krusche, franz sattler: „wheels„